Gegen Faschismus, gegen Antisemitismus
Seit 20 Jahren erinnern die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen an die Gräuel der Judenverfolgung. Am 6. November setzt Gunter Demnig 13 neue Steine. Zur Verlegung des Stolpersteins am Feuerseeplatz 5 wird eine Tochter von Werner Friedmann aus den Vereinigten Staaten anreisen.
Angesichts der aktuellen Entwicklungen – des jüngsten Angriffs auf Jüdinnen und Juden in Israel, der erstarkenden Rechten in Deutschland und eines neu aufkeimenden Antisemitismus weltweit – hatte die Jubiläumsmatinee „20 Jahre Stolpersteine für Stuttgart – Zukunft braucht Erinnerung“ Mitte Oktober eine bedrückende Aktualität. „Diese verstörenden und sehr deutlichen Signale aus der Gesellschaft zeigen uns, dass wir nicht ruhen dürfen. Wir müssen sicherstellen, dass die Erinnerung wach bleibt, die Geschichte nicht umerzählt wird und die jungen Menschen sich nicht abwenden und weghören“, sagte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski, die die Laudatio im ausverkauften Stuttgarter Schauspielhaus hielt. Die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen setzen sich seit nunmehr 20 Jahren gegen das Vergessen ein. Am Montag, 6. November, wird Gunter Demnig, der Kölner Künstler und Initiator der Idee, 13 neue Stolpersteine in der Stadt verlegen.
Mit dieser Matinee setzten die Veranstalter, die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen, die Initiative Lern– und Gedenkort Hotel Silber und Schauspiel Stuttgart, mit einem großen Teil der städtischen Zivilgesellschaft ein deutliches Zeichen gegen rechts, damit Rassismus, Antisemitismus und Faschismus – egal, welcher Ausprägung – niemals wieder eine Chance haben.
Bei der Matinee waren auch zahlreiche Angehörige von NS-Opfern anwesend, etwa elf Nachkommen von Ludwig Löb, die aus den Vereinigten Staaten angereist waren, und vier Nachkommen in der dritten und vierten Generation von Dr. Hugo Erlanger aus Paris.
Nur wenige Tage nach dem 20-jährigen Jubiläum wurden dann Stolpersteine für Ludwig Löb in der Breitscheidstraße 108 und Dr. Hugo Erlanger in der Alexanderstraße 153 verlegt – und wie immer wurden die Zeremonien für die Opfer des Nationalsozialismus mit Redebeiträgen und musikalischen Darbietungen würdevoll gestaltet.
Das wird auch am Montag, 6. November so sein, wenn Gunter Demnig in Neuwirtshaus, Feuerbach, in Mitte, im Osten, Norden und Westen 13 neue Steine gegen das Vergessen legen wird. Etwa für Helmut Stahl in der Halligenstraße 9. Er war 17 Jahre alt, als er 1939 wegen angeblichen Spionageverdachts verhaftet und am 23. Oktober 1943 im Außenlager Schwechat des KZs Mauthausen ermordet wurde. Oder in der Fahrionstraße 21 für Karl Nothdurft, der sich kritisch über die Kriegslage und das NS-Regime geäußert hatte und wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet wurde.
Im Frühsommer 1942 kam der frühere Wachmann bei einem Landesschützen-Bataillon in der Nähe von Kehl zur Bewährung mit einer Strafkompanie an die mittlere Ostfront und starb im August 1943 an einer Verwundung durch Granatsplitter in Orscha, im heutigen Belarus. In der Haußmannstraße 174 wird ein Stolperstein für Hermann Seitz gesetzt. Er war am 30. November 1944 zusammen mit Angehörigen und Freunden der Untertürkheimer Familie Schlotterbeck ohne jegliches Gerichtsverfahren auf Weisung des Reichssicherheitshauptamtes in Dachau ermordet worden.
Am Feuerseeplatz 5 erinnert schon bald ein Stein an Amalie Friedmann. Sie wurde am 16. März 1943 nach Theresienstadt deportiert. Der Todeszeitpunkt ist unklar. Von ihren vier Kindern wurden zwei – Joseph Friedmann und seine Schwester Bella Stein – nach Auschwitz deportiert und ermordet. Die Tochter Sarah überlebte in Israel, der Sohn Werner in den USA. Zur Verlegung des Stolpersteins wird eine Tochter von Werner Friedmann aus den Vereinigten Staaten anreisen.
Gut zu wissen
Seit den 1990er-Jahren verlegt der Kölner Gunter Demnig die kleinen Betonsteine mit Messingplatte. In Stuttgart und auch in anderen Städten stieß man vor allem zum Start der Initiative auf Widerstand. Nicht selten haben Hausbesitzer und Vermieter versucht, die Verlegung der letztendlich flachen Steine zu verhindern. Aber auch dank des Einsatzes der Gruppen vor Ort ist es gelungen, die Aktion bundesweit durchzusetzen. Mittlerweile wird an sämtliche Opfer des Faschismus erinnert. Der 100 000. Stolperstein ist im Mai 2023 übrigens in Nürnberg verlegt worden.