„Ich würde meinen zwölfjährigen Sohn abends hier nicht allein laufen lassen“, sagt Fausan Abouharia, Vorstandsvorsitzender des Underground Soul Cypher (USC) und Mitglied des Stadtjugendrings an diesem schönen Sonntagnachmittag  im Sommer  unter der König-Karl-Brücke in Bad Cannstatt. Er hat sich mit weiteren Mitstreitern vorgenommen, auf ein  gemeinsames Anliegen öffentlich aufmerksam zu machen. Es geht darum, einen Ort für Graffiti, HipHop und Tanz zu schaffen, der zugänglich sein  und nicht eine Art Lost Place darstellen soll. 

Bettina Szotowski ist  Bildungsreferentin für  Internationale Jugendbegegnungen.  Sie hat zu dem Nachmittag eingeladen und die Sprecher  motiviert, ihr Projekt vorzustellen. „Ich würde es nicht als Werbung, sondern vielmehr als Lobby-Arbeit bezeichnen“, meint sie. Denn tatsächlich ist die Aktion König-Karl-Brücke nur ein Baustein an dem Nachmittag. Aus den Partnerstädten Straßburg und Lodz sind ebenfalls Künstlerinnen und Künstler anwesend, die ihrerseits in ihren Städten Streetart-Projekte initiiert haben.

"Die Öffentlichkeit mehr einbinden" 
 
Alle Gruppen haben Stellwände in der Nähe der Säulen der Hall of Fame aufgestellt.  „Wir wollen diesen Ort nicht nur nutzen, sondern wir wollen etwas schaffen und mit anderen in den Dialog kommen“ , sagt Fausan Abouharia. 
 „Was ist denn mit dem Nordbahnhof?“, fragt Cornelius Hummel, der neu gewählter Stadtrat der FDP im Gemeinderat Stuttgart ist und im Norden  der Landeshauptstadt  sich schon für ein Basketballfeld eingesetzt hat. Aber die Verantwortlichen machen deutlich, dass es ihnen schon um den Platz unter der König-Karl-Brücke geht. „Hier gibt es ja schon eine Szene, aber wir möchten auch die Öffentlichkeit mehr einbinden.“ 

Statt Lost Place eine "Freiluft-Galerie"

„Ich bin Tänzer, ich komme eigentlich aus Kirchheim/Teck und mich stören zum Beispiel die Scherben, die hier auf den Boden liegen“, sagt Noah Weller. „Wenn ich in der Innenstadt meine Performance mache, werde ich weggeschickt.“ Für ihn geht es darum, einen Platz zu schaffen,  von dem man Jugendlichen zumuten kann, „dass sie herkommen können“. 
Milo Seif von Partners in Paint ist selbstständiger Graffitikünstler. „Die Wände sind prädestiniert für Graffiti“, meint er. Gerade sprühen auch zwei Jugendliche neben den Säulen. „Auch in unserer Szene gibt es Regeln, an die man sich halten sollte.“ Und man könne besser darauf aufmerksam machen, wenn der bisherige „Lost Place“  eine Art „Freiluft-Galerie“ würde. 

„Gibt es denn vergleichbare Projekte in anderen Metropolen, die man schon ins Auge gefasst hat?“, fragt Stadtrat Hummel. „Wir haben uns jetzt eben vor allem an Sie, an die neu gewählten Stadträte gewandt, um zu fragen, wie wir weiter vorgehen können.“
„Was wir als Erstes brauchen, ist eine Darstellung mit Zielen, Forderungen und Prioritäten“, sagt Cornelius Hummel, der wie auch Alicia Böhm von Bündnis 90/Die Grünen an diesem Nachmittag zum ersten Mal von dem Plan des USC erfährt. 
Tatsächlich ist schon manches in Gang gekommen. Einer der Künstler, der selbst immer mit dem Rad unterwegs ist, hat zum Beispiel das Projekt   beim Jugendrat Cannstatt vorgestellt. Ob man sich denn bereits an den Bezirksbeirat gewandt habe? Kopfschütteln. „Der ADFC kann auch noch ein guter Ansprechpartner sein“, empfiehlt Hummel. Der Club kenne sich mit Knotenpunkten von Radlern und Gefahrenzonen gut aus. 

Es soll ein Ort entstehen, der  – ähnlich wie  man es vom  Österreichischen Platz unter der Paulinenbrücke kennt –  von vielen genutzt werden kann, an dem man Programm machen kann, das betont Abouharia nochmals auf Nachfrage. 
„Zuerst brauchen wir eine Liste mit den Forderungen, damit man eine Art Task Force bilden kann“, meint Hummel auf die Frage, was jetzt die nächsten Schritte sein könnten. Dann könnte der Bezirksbeirat oder der Gemeinderat das nächste Gremium sein, in dem man sein Anliegen vorbringen kann. Stadträtin Alicia Böhm  wendet sich noch der Gruppe aus den Partnerstädten zu und  will ein Gesamtbild von dem bekommen, was an diesem Nachmittag vorgestellt wird.