Kein Dach überm Kopf (IV): Die Wochenblatt-Serie beschäftigt sich mit Obdachlosigkeit in der Großstadt – Das Haus der Diakonie in Stuttgart vereint viele Angebote unter einem Dach.

 

 

Für viele Menschen reicht das Gehalt oder die kleine Rente nicht zum Leben. Oft sparen sie als Erstes am Essen, und so bleibt die Küche kalt. Die Stadtmission der Evangelischen Gesellschaft (Eva) in Stuttgart bietet mit Evas Tisch warmes Essen für jeden. Von Montag bis Freitag können Bedürftige zwischen 11.30 und 13 Uhr im Haus der Diakonie, Büchsenstraße 34/36 in Stuttgart, zu Mittag essen. Auch während Corona und trotz der 3-G-Regel kommen rund 80 Personen täglich.

„Die Menschen, die zum Essen zu uns kommen, sind fast alle geimpft. Es gibt wenige, die mit einem Test zu uns kommen“, sagt Birgit Auer, Bereichsleitung der Stadtmission. Im Saal stehen Einzeltische, mit ausreichend Abstand aufgereiht. „Wir passen unsere Angebote den Inzidenzwerten an. Im Sommer können mehr Leute an einem Tisch sitzen und sich auch danach noch unterhalten. Momentan ist es so, dass jeder, der gegessen hat, wieder geht“, sagt Birgit Auer.

Das Angebot bei Evas Tisch ist, anders als beispielsweise in der Vesperkirche, nicht umsonst. Jeder, der kann, zahlt 2,50 Euro für ein warmes Mittagessen mit Nachtisch. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Essen an Wert verliert, wenn wir es umsonst anbieten“, sagt Birgit Auer. „Außerdem kochen wir auf hohem Niveau und ohne Massentierhaltung“, ergänzt Küchenleitung Bernd Fischer. Das Essen werde seit knapp zwei Jahren vom Rudolf-Sophien-Stift geliefert. Dazu erhält Evas Tisch immer wieder Spenden von Caterern, die das Menü dann erweitern.

„Wir haben deshalb Zeit, unseren Nachtisch frisch selbst zu machen“, sagt Bernd Fischer. Durch die Pandemie wurde Essen to go immer wichtiger. Auch bei Evas Tisch gibt es die Möglichkeit, das Essen mitzunehmen. Früher ausschließlich in Siegelschalen, seit Neuestem mit einem „Rebowl“-Pfandsystem. „Wir haben schon länger die Idee, eine nachhaltigere Alternative zu den Siegelschalen einzuführen. Diese verursachen wirklich sehr viel Müll. Wir versuchen, Nachhaltigkeit groß zu halten und mit unserer Schöpfung richtig umzugehen und sie wertzuschätzen“, meint Fischer. Wer nun Essen mitnehmen möchte, kann für fünf Euro eine Pfandschale erwerben. Diese wird dann bei der nächsten Abholung einfach gegen eine neue, mit Essen gefüllte Schale eingetauscht oder gegen die fünf Euro Pfand wieder abgegeben.

„Unsere Gäste sind froh, dass sie trotz des kleinen Budgets einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können“, sagt Birgit Auer. Die Evangelische Gesellschaft bietet im Haus der Diakonie noch zahlreiche andere Angebote für Bedürftige an. Beispielsweise die Kältestube oder Schließfächer und Duschen für alle – auch ohne 3-G-Regel. „Duschen ist ein Grundbedürfnis. Auch die Schließfächer sind sehr wichtig, da viele erzählen, dass sie in den Wohnheimen bestohlen werden“, so Birgit Auer. „Hier können sie Dinge, die ihnen wichtig sind, sicher aufbewahren.“

Im Medienraum der Eva hat jeder Zugang zu Computern und digitalen Medien. Außerdem sitzen alle Beratungsstellen wie beispielsweise die Suchtberatung oder Beratung für Sozialleistungen im Haus. „Unser Thema ist die Teilhabe an der Gesellschaft. Dazu gehören auch Besuche im Museum, ein Spaziergang durch die Stadt, Zugang zur digitalen Welt oder Nachhaltigkeit“, sagt Birgit Auer.

 

Ihre Meinung, bitte!

Was bedeutet es, in einer großen Stadt wie Stuttgart obdachlos zu leben? Die Serie „Kein Dach überm Kopf“ ging in den letzten Wochen dieser und vielen weiteren Fragen nach. Welche Erfahrungen haben Sie mit Obdachlosigkeit gemacht?  Ihre Meinung und Erfahrung bitte senden mit Vor- und Nachnamen und Wohnort  an: wochenblatt@stzw.zgs.de. Betreffzeile: „Kein Dach überm Kopf“. Die Redaktion veröffentlicht Ihre Meinung als Leserbrief und behält sich Kürzungen vor.