Wenn der Marder im Dach haust
Dr. Jürgen Friedle ist Stadtjäger in Filderstadt und berät bei unerwünschten Wildtieren in der Stadt.
Rascheln und Geräusche im Dachboden, verschobene Dachziegel oder Pfotenabdrücke auf der Motorhaube – damit kennt sich Dr. Jürgen Friedle besonders gut aus. Seit vier Jahren ist er als Stadtjäger in Filderstadt unterwegs.
Was genau macht ein Stadtjäger überhaupt? Er schreitet dort ein, wo Kammerjäger, Förster und die Polizei nicht helfen können: Wenn es im Dachboden rumpelt und dort unverkennbar Wildtiere hausen. „Förster sind nur für den Wald zuständig, und die Wilhelma hilft einem auch nicht, wenn man Tiere im Haus findet“, erklärt Friedle. Mit seiner treuen Hündin Pepper im Schlepptau berät er Menschen mit unerwünschten Mitbewohnern. Bei den ersten Anzeichen, die auf Tiere im Haus hinweisen, sei schnelles Handeln unabdingbar und enorm wichtig, so der Stadtjäger.
Der 73-Jährige stammt eigentlich aus dem Odenwald und wuchs in einer landwirtschaftlichen Familie auf. „Ich war schon immer sehr naturverbunden“, so der passionierte Jäger. Er wandte sich der Biochemie zu, erwarb sein Diplom und promovierte. „Die Forschung ging mir zu langsam, und deshalb bin ich ins Marketing gegangen.“ Während seiner Arbeit bei diversen Pharmazeutika-Herstellern sah er viel von der Welt und verkehrte öfter in Japan und Amerika.
Bei Tieren im Haus muss man schnell handeln
Stolz erzählt er: „Wir haben eine neue und viel schnellere Methode zur Reinigung biochemisch hergestellter Pharmazeutika erfunden und haben ein eingetragenes Patent gehabt. Das hat mich zwar weder reich noch berühmt gemacht, aber ich habe es ins Lehrbuch geschafft!“ Gegen Ende seiner Karriere entschied er sich dazu, das „grüne Abitur“ zu versuchen. Nach dem Jagdschein folgten einige Jahre später die Wildtierschützer- und Stadtjäger-Ausbildung.
An seiner Arbeit als Stadtjäger schätzt Friedle vor allem den Kontakt zu den Menschen. „Eigentlich geht es gar nicht immer um das Jagen, sondern um das Konfliktmanagement zwischen Wildtier und Mensch“, erklärt der 73-Jährige.
Eigentlich geht es gar nicht immer um das Jagen, sondern um das Konfliktmanagement zwischen Wildtier und Mensch“
Unerwünschte Tiere lockt er zunächst in abgedunkelte Lebendfallen. Diese geben ihm die Möglichkeit, fälschlich gefangene Tiere, wie Katzen oder Igel, freizulassen. Abgedunkelt deshalb, um sie nicht unnötig zu verängstigen und zu stressen. Sein Leitsatz dabei: „Leiden vermeiden.“
Wie die anderen Stadtjäger in Baden-Württemberg, muss auch Friedle die gefangenen Tiere erschießen. Geschützte Tiere, wie Siebenschläfer, müssen in einiger Entfernung in einem Kobel ausgesetzt werden. „Dieses Töten ist nie schön für mich“, so der Jäger, aber dennoch sei es falsch verstandener Tierschutz, wenn man davon ausgehe, dass die Tiere bei einer Umsiedlung besser dran seien. Friedle erläutert: „Einerseits muss man die Nachbarschaft schützen, damit andere nicht Opfer der Tiere werden. Andererseits kann man die Tiere nicht aus ihrem eigenen Revier reißen und dann einfach in die Reviere anderer Lebewesen setzen.“ Zu seinen weiteren Aufgaben gehören die Bejagung von Füchsen und neuerdings auch Waschbären zum Schutz des Niederwildes.
Siebenschläfer müssen ausgesetzt und dürfen nicht getötet werden, andere Tiere werden erschossen
Privat schießt der Jäger nur sehr wenig Wild im Jahr. „Wenn ich etwas schieße, will ich es auch essen. Selbst geschossenes Wild ist das beste und gesündeste Bio, was man bekommen kann“, erklärt er. Neben der Jagd hat er außerdem einen großen Garten und kümmert sich um seine eigenen Bienen.
Um Eigentümer und potenziell Betroffene zu sensibilisieren, hält er Vorträge. Der Jäger merkt an: „Wenn ich diese Straße hier entlangfahre, sehe ich an fast jedem Haus Stellen, wo Marder und andere Tiere eintreten könnten.“ Prävention sei in diesem Fall von höchster Priorität ebenso wie das schnelle Handeln bei den ersten Anzeichen. „Je länger die Tiere im Dach sind, desto größer ist auch der Schaden!“, warnt der erfahrene Stadtjäger.