Das seltsame Etwas aus dicker gelber Wolle hat die Treppen in der Staatsoper Stuttgart in Beschlag genommen. Mal grob-, mal feinmaschig schlängelt es sich die Stufen hinunter. Es sind die ersten Fragmente vom großen „Blob“, jenem schleimigen Gebilde, das einen großen Teil des Bühnenbilds der Neuinszenierung von „Saint François d’Assise“ bildet.
Auftritt in Opernhaus, im Killesbergpark und auf Freilichtbühne Killesberg
Die Staatsoper hatte die Stuttgarter zum Mitstricken und Häkeln für die Kulisse aufgerufen, und viele sind dem Ruf gefolgt. 60 Strickpakete wurden ausgegeben, ganze Schulklassen haben sich beteiligt – und mittlerweile sind die ersten Stücke des „Blobs“ fertig. Das Werk des Komponisten Olivier Messiaen wird von der Regisseurin Anna-Sophie Mahler im Opernhaus sowie im Killesbergpark und auf der Freilichtbühne Killesberg inszeniert. Im Lauf der Vorstellungen soll ein aus gestrickten Teilen bestehender, wuchernder Pilz immer größere Teile der Bühnen vereinnahmen, und der Schleimpilz ist ein echtes Gemeinschaftswerk.
Idee schon in Frieder Burda Museum
Für die Staatsoper ist es das erste gestrickte und gehäkelte Bühnenbild überhaupt, das für die Aufführungen auf dem Killesberg verwendet werden wird. Neu ist die Idee, mit traditioneller Handarbeit gemeinsam an einer großen Sache zu wirken, aber nicht. Im Frieder Burda Museum in Baden-Baden war im vergangenen Jahr ein besonderes Kunstprojekt zu sehen: ein buntes, leuchtendes Korallenriff aus Wolle, an dem rund 4000 Menschen weltweit beteiligt waren. Die Künstlerinnen Margaret und Christine Wertheim hatten dazu aufgerufen. Die Schwestern, die in Australien aufgewachsen sind, wollten mit ihrem gehäkelten Great Barrier Reef aus Wolle und anderen Materialien ein Zeichen gegen Umweltzerstörung und Erderwärmung setzen.
300 Hoodies wurden gespendet
Auch in Olivier Messiaens Stück über das Leben des heiligen Franziskus, das zu den bedeutendsten Opern des 20. Jahrhunderts gehört, sind Partizipation und Nachhaltigkeit wichtige Schlagworte. Und sie spielen in der Inszenierung von Anna-Sophie Mahler an der Staatsoper Stuttgart unter verschiedensten Blickwinkeln eine Rolle. So wurde bereits Anfang des Jahres zum Spenden von Kapuzenpullis aufgerufen, die als Kostüme verwendet werden – und knapp 300 Hoodies wurden gespendet. Das Bühnenbild wird aus Teilen bereits bestehender Produktionen hergestellt, die für diese Neuinszenierung wiederverwendet werden.
Der gelbe Schleimpilz
Und ein wesentlicher Teil davon, so erzählt Bühnenbildnerin Katrin Connan, werde eine „visuelle Annäherung an den ‚Blob‘ sein, einen gelben Schleimpilz“. Der „Blob“ sei in seiner glibberigen, knallgelben Erscheinung faszinierend, da er sich vernetze, sich schnell an seine Umgebung adaptiere, „und wir nicht viel darüber wissen, wie er es macht“, erklärt Katrin Connan. Als sie angefangen habe, ein im Maßstab passendes Objekt für die Bühne zu entwickeln, das dann erst zusammen mit der Bewegung durch den Chor zu einem organischen Wesen würde, kam die Frage nach einem Material auf, das sowohl strapazierfähig als auch leicht, gelb oder färbbar, luftdurchlässig, flexibel sein sollte.
Premiere ist am 11. Juni
„Wir kamen nach ein paar Versuchen zu dem Entschluss, dass der gelbe Gobelin-Tüll sich am besten eignet.“ Interessierte konnten sich im Foyer des Schauspielhauses ein Strickpaket mit verschiedenen Wollknäueln abholen, das insgesamt ca. einen Quadratmeter der Pilzattrappe ergeben sollte. Strickanleitungen gab es unter www.staatsoper-stuttgart.de/magazin/stricken-sie-mit-am-buehnenbild. Und die eifrigen Handarbeiterinnen und Handarbeiter sind nicht nur bei der Kulissengestaltung dabei, sondern dürfen – vor der Premiere am 11. Juni – die Generalprobe von „Saint François d’Assise“ am 9. Juni miterleben.