"Die Frauenfrage"
Fabrikarbeiterinnen für die Stuttgarter Volkshochschule gewinnen: Carola Rosenberg-Blume baute die Frauenabteilung dort auf
Zugegeben: Carola Rosenberg-Blume kam erst 1924 nach Stuttgart, um an der Stuttgarter Volkshochschule die Frauenabteilung aufzubauen. Aber 1923 hatte die Ikone der Frauenbildung in Stuttgart bestimmt schon ihr Konzept einer frauenorientierten Bildungsarbeit im Kopf. Ihre Dissertation schrieb sie 1923 über das Thema „Die Berufseinstellung und -interessen der weiblichen Jugend“ .
Carola Blume hat in Stuttgart ihr Spuren hinterlassen. Sie ist am 6. Juni 1899 in Neudenau geboren und am 18. August 1987 in Redlands, Kalifornien, gestorben.
Sie studierte Germanistik, Philosophie und Psychologie. 1924 kam sie nach Stuttgart Sie leistete eine bahnbrechende Frauenbildungsarbeit. Ihr besonderes Anliegen war es, auch die Fabrikarbeiterinnen für die Volkshochschule zu gewinnen. Dafür ging sie in die Fabriken und bot den Frauen entsprechend dort vor Ort Kurse an. Dennoch wurde sie wegen ihrer jüdischen Abstammung 1933 fristlos entlassen. 1936 emigrierte sie mit ihrem (nicht-jüdischen) Mann, dem Schriftsteller Bernhard Blume, und ihren beiden Söhnen in die USA.
Frauenbildung in Stuttgart
Frauenbildung hat an der Volkshochschule Stuttgart eine sehr lange Tradition. Eine eigenständige Abteilung für Frauenbildung etablierte sich an der Volkshochschule bereits in den 1920er-Jahren. Carola Rosenberg-Blume erstellte dafür das Konzept und war treibende Kraft einer fortschrittlichen, an den Bedürfnissen von Frauen orientierten Bildungsarbeit. Sie erlangte mit ihrer bahnbrechenden Frauenbildungsarbeit internationalen Ruf. In den 1930er-Jahren musste sie, vom Naziregime bedroht, aus Deutschland fliehen.
Carola Rosenberg genießt in ihrer Kindheit im jüdischen Elternhaus eine exzellente Erziehung und Bildung. Sie besucht das Realgymnasium für Jungen in Heilbronn bis zum Abitur 1919. Zu dieser Zeit gründet sie bereits eine Mädchengruppe und wünscht sich „das Zusammensein von Buben und Mädchen als etwas Selbstverständliches“. Carola Rosenberg studiert verschiedene geisteswissenschaftliche Fächer in Heidelberg und besucht nebenbei Seminare in Volkswirtschaft und Psychologie, ihr Wissensdurst ist nicht zu stillen. Doch Rosenberg erkennt bald, dass sie nicht nur reden, sondern auch selbst handeln möchte.
Verheiratet mit dem Stuttgarter Bühnenautor Bernhard Blume
Sie will sich auf etwas „Eindeutiges und Festes“ konzentrieren – sie beginnt sich engagiert mit „der Frauenfrage“ zu beschäftigen. Nach ihrer Dissertation über „Die Berufseinstellung und -interessen der weiblichen Jugend“ im Jahr 1923 und mehreren Praktika erhält Carola Rosenberg, die zwei Jahre später den Stuttgarter Schriftsteller und Bühnenautor Bernhard Blume heiratet, 1924 eine Chance:
Sie soll die Frauenabteilung der Stuttgarter Volkshochschule aufbauen und leiten. Carola Rosenberg-Blume erarbeitet ein herausragendes Bildungsprogramm für Frauen, sie hat Erfolg in ganz Deutschland. Ihr Ziel ist es, die Allgemeinbildung der benachteiligten Frauen zu verbessern und dadurch das Bewusstsein ihrer erwachsenen Schülerinnen zu wecken.
So gibt es Kurse in Zusammenarbeit mit der Akademie der bildenden Künste oder Veranstaltungen zu „Goethes Frauengestalten in Dichtung und Leben“. Die Kurse finden in der Volkshochschule, in Gemeindesälen und in vierzehn Stuttgarter Großbetrieben, darunter Bosch, Breuninger, Waldorf-Astoria und Lang statt.
Flucht in die USA
Carola Rosenberg-Blume – inzwischen Mutter zweier Söhne – wird als Jüdin und Kommunistin nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 entlassen. Weil sie in Deutschland kein Auskommen mehr für sich findet, reist sie im November 1935 in die USA, um nach Anstellungen für sich und ihren Mann zu suchen.
Dank früherer Kontakte kehrt sie mit Perspektiven für beide zurück: ein Forschungsstipendium für sich und eine Gastprofessur an einem Mädchencollege in Kalifornien für ihren Mann.
Der jungen Familie gelingt die Flucht, doch Carolas Vater und andere Mitglieder ihrer Familie werden später in Konzentrationslagern umkommen. Schon 1936 kann Rosenberg-Blume an ihre berufliche Tätigkeit anknüpfen. Sie übernimmt einen Lehrauftrag für Erwachsenenbildung am Mills College in Oakland/Kalifornien, wo Bernhard Blume zur gleichen Zeit „Visiting Professor“ für deutsche Sprache und Literatur wird. 1949 promoviert Carola Rosenberg-Blume in Klinischer Psychologie und arbeitet bis zu ihrer Pensionierung bei verschiedenen öffentlichen Einrichtungen.
Carolas Spuren findet man in Stuttgart noch heute: Die Frauenakademie Stuttgart wurde 1999 nach ihr benannt und erhielt den Namen Carola-Blume-Akademie. 2010 wurde der Carola-Blume-Weg in Stuttgart nach ihr benannt.
Carola-Blume-Frauenakademie feiert Jubiläum
„Sei, wer Du bist!“ ist das 25-Jahr-Jubiläum der Carola-Blume-Frauenakademie an der Volkshochschule Stuttgart überschrieben, das am Freitag, 30. Juni, bei freiem Eintritt im Treffpunkt Rotebühlplatz gefeiert wird.
Die VHS Stuttgart feiert mit einem Tag der offenen Tür, kostenlosen Schnupperangeboten nur für Frauen und einem abwechslungsreichen Abendprogramm für alle Interessierten.
Ab 15 Uhr gibt es Infostände, eine Fotoaktion und Workshops zu verschiedenen Themen, z. B. „Mentale Fitness – So bleib ich dran“ oder „Vielfalt und Authentizität – sind zwei Seiten einer Medaille“.
Ab 18 Uhr startet das Abendprogramm im Robert-Bosch-Saal mit der Aufführung eines Theaterstücks, einem Rückblick auf 25 Jahre Carola-Blume-Frauenakademie und einem nachhaltigen Überraschungsgeschenk der Malerin Marlis Glaser. Alle Frauen, die Lust an Bildung von Frauen für Frauen an der Volkshochschule Stuttgart haben, sind hierzu herzlich eingeladen.
Die Stuttgarterin Anne-Christel Recknagel hat in Kooperation mit dem Stadtarchiv Stuttgart über Leben und Werk von Carola Rosenberg-Blume ein Buch geschrieben:
„Weib, hilf dir selber!“, erschienen 2002 im Hohenheim-Verlag, Stuttgart,
ISBN 3898509702 (978-3-898509701)