Margarete von Wrangell,  „die einzige Dame“

Vor 100 Jahren wurde Margarete von Wrangell an der Uni Hohenheim zur ersten Professorin Deutschlands berufen. Ihr renommiertes Institut für Pflanzenernährung gibt es noch heute.

Hohenheim - In einer kleinen Serie blicken wir 100 Jahre zurück auf das Jahr 1923. Im Jahr der Hyperinflation kostete ein Leib Brot plötzlich mehrere Milliarden Mark. Heute geht es um Margarete von Wrangell, die 1923 mitten in der Weimarer Republik an der Universität Hohenheim zur ersten Professorin in Deutschland ernannt wurde. Eine wahre Pionierin.
Das gab es zuvor in Deutschland noch nie: Vor 100 Jahren wurde an der Uni Hohenheim die erste Frau auf eine ordentliche Professur berufen: Margarete von Wrangell. Sie gründete das Institut für Pflanzenernährung. „Mein Institut ist eine Schöpfung, die von dauerndem Wert und Nutzen bleiben wird. Ich weiß, wofür ich kämpfe“, schrieb sie nach ihrer Ernennung an ihre Mutter. Sie hat recht behalten: Bis heute ist das Institut eine renommierte wissenschaftliche Einrichtung.
Margarete von Wrangell wird 1877 in Moskau geboren und wächst in Reval (heute: Tallinn) in Estland auf. Nach der Schule wird sie zunächst Lehrerin für Naturwissenschaften – doch dieses Leben füllte sie nicht aus. „Kommt denn wirklich gar nichts Packendes, Lebendes, Lebenslohnendes?“, fragt sie sich. O doch! Ein Ferienkurs in Botanik an der Uni Greifswald weckt Margaretes Begeisterung für ein akademisches Studium.
Sie erkundigt sich nach Studienmöglichkeiten in Deutschland – zunächst ohne Erfolg. „Aus Marburg bekam ich die Antwort, der dortige Botaniker sei ein Gegner des Frauenstudiums und würde eine Dame unter keinen Umständen in seine Vorlesungen und Übungen zulassen“, berichtet sie.
Schließlich erweist sich Tübingen als geeignete Stadt für Margaretes Studium. Zum Sommersemester 1904 beginnt sie, Botanik und Chemie zu studieren. „In Chemie und bei den praktischen Arbeiten im Botanischen Institut war ich die einzige Dame, sonst waren wir immer drei“, erinnert sie sich. Während des Studiums wendet sie sich immer mehr der Chemie zu und promoviert schließlich in Tübingen mit summa cum laude in Chemie.
Nach der Promotion geht sie einer ungeheuren Breite an wissenschaftlichen Interessen nach und arbeitet mit international führenden Wissenschaftler:innen zusammen: Sie forscht zunächst bei William Ramsay in London, dann am Chemischen Institut in Straßburg und anschließend bei Marie Curie in Paris.
1912 kehrt sie nach Reval zurück. Als Leiterin der dortigen Versuchsstation setzt sie wissenschaftliche Erkenntnisse in die praktische Landwirtschaft um. Ihr wissenschaftliches Interesse liegt dabei auf der Düngemittelherstellung. Die Tätigkeit findet ein jähes Ende mit der russischen Oktoberrevolution. Von Wrangell weigert sich, die Versuchsstation unter die Kontrolle der Revolutionäre zu stellen – und wird von den Bolschewiki inhaftiert.
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wird sie befreit. Doch: „Mit dem Berufe war es aus. Mit einer wissenschaftlichen Tätigkeit in nächster Zeit im Baltenlande nicht mehr zu rechnen.“
Also wandert sie nach Deutschland aus – und kommt nach Hohenheim. Hier forscht von Wrangell zur Phosphorsäure. Denn die Landwirtschaft profitiert damals bereits durch mineralische Düngung. Deutschland ist bei der Herstellung von Phosphordüngern jedoch noch abhängig von Importen. Diese Abhängigkeit wird besonders im 1. Weltkrieg problematisch. „Ich habe herausgefunden, dass die deutschen Böden gar nicht so viel Phosphorsäure benötigen, wie angenommen“, erklärt Margarete von Wrangell. „Und: Das Phosphorsäurekapital der Böden lässt sich mobilisieren!“
Ihre Ergebnisse erregen großes Aufsehen. Die Phosphorsäuredüngung in Deutschland kann erheblich reduziert werden. 1920 wird sie in Hohenheim habilitiert – die erste Hohenheimer Habilitation überhaupt!
Die Pionierforscherin nutzt ihre Popularität, um wichtige Kontakte in Politik und Industrie zu knüpfen. Ein Jahr später stellt der Reichsernährungsminister Hohenheim 75 Millionen Mark für die Forschung zur Pflanzenernährung zur Verfügung – gebunden an Margarete von Wrangell. Und sie besteht darauf, Leiterin eines neuen Instituts zu werden. Das stößt in Hohenheim auf Widerstand: Man will das Geld für andere Zwecke nutzen. Doch Margarete von Wrangell setzt sich durch und wird schließlich zur ordentlichen Professorin ernannt!
Knapp zehn Jahre forscht sie an ihrem Institut. „Ich lebte mit den Pflanzen. Ich legte das Ohr an den Boden, und es schien mir, als seien die Pflanzen froh, etwas über die Geheimnisse des Wachstums erzählen zu können.“
Auf dem Campus der Uni Hohenheim weisen Infotafeln auf die Professorin Margarete von Wrangell hin, in Steckfeld ist die Wrangellstraße nach ihr benannt.
Text: z/angü/Hagenau

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