Für die Tanzszene ist es seit mehr als einem Jahr ein Trauerspiel. Wegen der Pandemie fehlen Engagements, werden Vorstellungen gestrichen oder verschoben. Doch aufgeben gilt nicht. Auch nicht für die Macher des Internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals Stuttgart. Die 25. Ausgabe findet vom 12. bis 15. Mai coronakonform als „Hybridveranstaltung“ statt mit Live-Moderation und eingespielten Filmen.


Beim Solo-Tanz-Theater zeigen 18 junge Künstlerinnen und Künstler, von einem Kuratorium aus über 200 Bewerbungen ausgewählt, aufregende, neue Produktionen. 
Beiträge aus Israel, Japan, Brasilien, Südafrika, Kanada, Nigeria, USA, Ägypten, Italien, Frankreich, der Slowakei, Spanien, Portugal und Deutschland konkurrieren um die Preise und eine positive Beurteilung durch die internationale Jury. Das Publikum kann per Livestream  die eingespielten Filme der Wettwerber mitverfolgen.
Stillstand ist auch für Eric Gauthier, den Kanadier mit Wohnsitz Degerloch, keine Option. Also hat er „The Dying Swans Project“ initiiert. Acht Wochen lang gaben Tänzer seiner im Stuttgarter Theaterhaus beheimateten Kompanie in jeweils drei Minuten langen Soli den sterbenden Schwan. Die Interpretationen des Ballettklassikers stammen von 16 internationalen Choreografen, und alle wurden auf Film gebannt. Gedreht wurde unter anderem in der Stuttgarter Wilhelma oder in der stillgelegten Kläranlage im Oeffinger Weidachtal, wo Anfang März der Japaner Shori Yamamoto tanzte. Eric Gauthier hatte der in der Pandemie darniederliegenden Kultur mit seinem Projekt wieder Flügel verliehen. „Und rund 75 Menschen, die nichts zu tun hatten, hatten plötzlich wieder Arbeit“, sagt der Tanz-Tausendsassa aus Kanada.

Mittlerweile hat der TV-Sender 3sat die 16 Tanz-Soli in seine Mediathek aufgenommen und strahlt acht ausgewählte Videos im Fernsehen aus. Die Premiere der Bühnenfassung der sterbenden Schwäne, am 22. Mai bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen geplant, ist  auf Juli verschoben.

Um ein ganzes Jahr, auf den Sommer 2022, hat Gauthier Dance das 4. Colours International Dance Festival verlegt. Aber es gibt ein Alternativprogramm für den Sommer. Geplant sei ein umfangreiches Angebot in den Wochen vom 24. Juni bis 11. Juli, berichtet Nicola Steller, verantwortlich für die Pressearbeit. „Allerdings wackelt der Juni, wenn man sich die Pandemiezahlen anschaut. Momentan überlegen wir, ob wir besser erst Anfang Juli starten. Eine Woche später könnte einen echten Unterschied machen.“


Die Lage der freien Tanzszene ist momentan noch prekärer als sonst, erklärt Nicki Liszta, Tänzerin, Choreografin und künstlerische Leiterin von Backsteinhaus Produktion Stuttgart. Tänzerinnen und Tänzern vagabundierten von Projekt zu Projekt, meist über Ländergrenzen hinweg. 


Dies sei derzeit, ebenso wie die Teilnahme an Workshops und die Vernetzung auf Festivals, nicht möglich. „Schön wäre es, wenn nach der Pandemie die Bedeutung von Kultur in unserer Gesellschaft deutlicher zu spüren wäre“, sagt Nicki Liszta.  Wichtige Themen wie Ausgrenzung, Chancengleichheit und Klimawandel seien durch die Pandemie nicht verschwunden. „Hier braucht es die Kunst und das Theater, um die öffentliche Debatte weiter im Gang zu halten.“ 

Info: • Vom Solo-Tanz-Theater Festival gibt es einen Livestream unter: www.vhs-stuttgart.de/infoservice/vhs-digital/vhs-livestream/;

• Eric Gauthiers „The Dying Swans Project“ unter: www.3sat.de/kultur