VVS-Bilanz: „Wir robben uns langsam zurück“

Von  der Einführung des Jugend- und des Deutschland-Tickets erhofft sich der VVS viele
neue Fahrgäste für  Busse und Bahnen.


Passanten in der Stuttgarter Innenstadt wurden kürzlich befragt, ein Ergebnis: 57 Prozent waren mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen, nur 31 Prozent mit dem Auto. Die Stuttgarter wissen also ihre  S-Bahn, Stadtbahn und Busse durchaus zu schätzen. Und VVS- Geschäftsführer Thomas Hachenberger freut sich eigentlich, wenn Autofahren immer teuerer wird, denn dann bleiben seine Fahrgastzahlen stabil und die Menschen steigen noch lieber auf  Bus und Bahn um.
Und nach Einführung des JugendTicketBW und vor allem auch durch das „revolutionäre“ Deutschland-Ticket soll der derzeitige Aufwärtstrend  noch beschleunigt werden. Junge Menschen fahren ab 1. März für 365 Euro im Jahr oder 1 Euro pro Tag im ganzen Land.
„Wir gehen davon aus, dass das neue Angebot mindestens 15 Prozent mehr junge Fahrgäste ins Abo lockt“, hofft Thomas Hachenberger. Für Schüler bedeutet das Jugend-Ticket eine Ersparnis von 21 Prozent, für Auszubildende sogar von 51 Prozent. Das Ticket gilt auch für Studenten und generell bis 27 Jahre. Hachenberger  rechnet von Mindereinnahmen durch das Jugend-Ticket von zirka 70 Millionen Euro.

Deutschlandticket ab 1. Mai

Ab 1. Mai können alle anderen Fahrgäste für 49 Euro im Monat den Nahverkehr im VVS, im Land und in ganz Deutschland nutzen, eine Zeitenwende im ÖPNV. „Fahrgäste müssen sich dann bundesweit im Nahverkehr keine Gedanken mehr über Tarifzonengrenzen und Ticketarten machen. Das ist eine echte Revolution im Tarifsektor“, freut sich VVS-Geschäftsführer  Horst Stammler. „49 Euro im Monat ist günstiger als alle anderen Abo-Angebote im VVS. Die Ausrede, dass Bus- und Bahnfahrten zu teuer sei, zählt dann nicht mehr“, ergänzt Hachenberger.  Die ÖPNV-Branche erwartet, dass die Fahrgastzahlen durch das günstige, niederschwellige Angebot kräftig zulegen, allerdings auch weniger Einnahmen um minus 80 bis minus 120 Millionen Euro. Dieser enorme Fehlbetrag wird durch Zuschüsse von Bund und Land ausgeglichen werden, ein Versprechen, dass die Politik einhalten muss und Voraussetzung der Verhandlungen war.

441 Millionen Fahrten 2022

„Seit dem 13. März 2020 (Coronabeschränkungen, Anm. d. Red.) ist nichts mehr, wie es war, wir haben von heute auf morgen 80 Prozent unserer Kunden verloren, wir robben uns jetzt erst wieder langsam zurück“, bilanziert Horst Stammler die zurückliegenden harten Zeiten. Der VVS und die Verkehrsunternehmen in der Region Stuttgart können nach drei Jahren Pandemie wieder mit etwas mehr Optimismus in die Zukunft schauen. Insgesamt wurden im Jahr 2022 rund 341 Millionen Fahrten mit den Bahnen und Bussen im VVS unternommen. Zuletzt sind auch die Abschlüsse von Aboverträgen wieder gestiegen. Sorge bereiten allerdings die hohen Kostensteigerungen bei den Verkehrsunternehmen, vor allem bei den Energiekosten wie Diesel und Bahnstrom.
„Das 9-Euro-Ticket hat uns gelehrt, dass es einfacher gehen muss“, gibt  Horst Stammler zu. Von Juni bis August 2022 war das äußerst preisgünstige und bundesweit gültige 9-Euro-Ticket ein Absatzschlager, die Fahrgastzahlen stiegen extrem. Der sogenannte Gelegenheitsverkehr hatte sich mehr als verdoppelt. So wurden im VVS rund 1,95 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft, dadurch verlor der VVS 72 Millionen Euro.

Umsatzrückgang wegen 9-Euro-Ticket

Nimmt man 2019 als Basis, liegt der Rückgang im Bereich Berufsverkehr bei immer noch knapp 29 Prozent, geschuldet auch den neuen Homeoffice-Möglichkeiten.
Die VVS hat im Jahr 2022 zirka 372 Millionen Euro von den Fahrgästen eingenommen. Trotz höherer Fahrgastzahlen war das ein Rückgang um gut elf Millionen Euro im Vergleich zu Vorjahr, dieser Umsatzrückgang ist dem günstigen 9-Euro-Ticket zuzuschreiben. Im Vergleich zum bisherigen Rekordjahr 2019 sind die Einnahmen gar um rund 139 Millionen Euro oder um 27 Prozent zurückgegangen.
 Zum Vergleich: Früher betrug die Kostendeckung durch Fahrgasteinnahmen etwa 50 Prozent, im Jahr 2022 waren es nur noch 37 Prozent. Das muss nun durch Bürgschaften und Zuschüsse von Bund und Land ausgeglichen werden.

Deutschlandticket: Gut zu wissen

Das Deutschland-Ticket kostet im Monat 49 Euro und wird am 1. Mai bundesweit eingeführt, Verkaufsstart für Neukunden ab 3. April
• nur im Abo, monatlich kündbar (ohne Bearbeitungsgebühr)
 • gilt in ganz Deutschland im Nahverkehr, 2. Klasse (nicht im Fernverkehr IC/EC/ICE, Flixbus etc.)
• personengebunden, nicht übertragbar
• keine Mitnahme von Personen (außer Kinder bis 6 Jahre)
• Ticket ist „papierlos“, wird nur als Chipkarte oder aufs Smartphone (mit Barcode) ausgegeben
• Beginn jeweils zum Monatsersten („Abo sofort“ im VVS ist weiterhin möglich)
VVS-Upgrade „TicketPlus“ für 9,90 Euro (Vorteile: Übertragbarkeit, Mitnahmemöglichkeiten (1 Person), erweiterte Mobilitätsgarantie, nur innerhalb des VVS gültig).

Infos unter:
vvs.de/deutschlandticket
online bestellbar unter: dein-deutschland-ticket.de