Beim Männerturnverein Stuttgart hat seit gut fünf Monaten eine Frau das Sagen. Als Ulrike Zeitler am 29. Juni zur Präsidentin gewählt wurde, war dies schon eine kleine Palastrevolution. Die Verwaltungsrichterin ist nämlich seit Bestehen des Vereins – seit 169 Jahren – die erste Frau in dieser leitenden Position.

„Für mich ist es eigentlich nichts Besonderes in der heutigen Zeit“, meint sie selbstbewusst, „wir haben im Vorstand des MTV einen Generationenwechsel vollzogen.“ Dennoch war es für die 54-Jährige zu Beginn ein Sprung ins kalte Wasser: „Ich hatte ja kein Amt in dem Verein, machte als Mitglied fleißig meine Übungen im Step-Aerobic und in der Fitness-Kondition. Ich musste mich erst einmal an die Netzwerkarbeit gewöhnen.“Mittlerweile hat sie die „großen Fußstapfen“, die ihr Vorgänger Manfred Ehringer hinterlassen hat, schon zu einem Gutteil ausgefüllt. „Ich bin gut reingekommen“, sagt sie rückblickend, „ich bin mit freundlichen, offenen Armen empfangen worden.“Dass sie bei ihrem Fulltime-Job als Richterin sich ab und an schon mal per Smartphone mit den Kollegen kurzschließen muss, versteht sich fast von selbst. Doch gerade in der Weihnachtszeit ist Präsenz beim MTV mehr denn je gefragt. Vor kurzem war die 25-Jahr-Feier der Fußballakademie, bei der Promis wie Hansi Müller und Alesia Graf zu Gast waren, am 8. Dezember kam der Nikolaus in der Sporthalle West zu den MTV-Kids, davor noch die Gala für die besten Spieler . . .Aber dies ist auch die Würze neben all den Vorstands- und Ausschuss-Sitzungen. „Die tolle Atmosphäre in der Scharrena habe ich schon einige Male genossen“, sagt sie mit Blick auf die Wettbewerbe der Turner und Volleyball-Mädchen.Ein großes Bauprojekt, bei dem sie in Gesprächen mit der Stadt Stuttgart ist, ist der Abriss des maroden Betriebsmeistergebäudes. Es soll zu einem „Sportpunkt“ ausgebaut werden mit weiteren Räumlichkeiten für die behinderten Sportler und den Lauftreff.Sport in der Ganztagsschule ist ein weiteres Thema, das die Vorstandsriege beschäftigt. „Wir haben hier ein Modell entwickelt“, so Zeitler, „das jetzt in der Falkertschule umgesetzt wird.“ Übungsleiter des MTV sind vor Ort und machen dort ein gezieltes Sportangebot. Natürlich hofft man im Verein, dass das eine oder andere Talent entdeckt wird und den Weg hin zum Verein geht. In der Römerschule im Süden Stuttgarts soll demnächst der zweite „Schulsportclub“ eingerichtet werden. Bei der letzten Mitgliederehrung gab es einen Mann, der für seine mittlerweile 90-jährige (!) Treue zum Verein geehrt wurde. „Das zeigt, dass die Leute den Verein leben“, erklärt die Präsidentin, „das ist für viele eine Heimat und der Ort, an dem Freundschaften geschlossen werden.“Trotz ihrer Doppelbelastung ist Ulrike Zeitler bemüht, ihren Sport im Verein weiter zu betreiben. Dienstags Step-Aerobic und freitags sowie sonntags Fitness-Kondition. „Sonntags ist auch mein Mann dabei“, erklärt die 54-Jährige, die mit Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer liiert ist.In der Freizeit geht sie gern zu Block-Partys, (Straßen-)Festen mit Musik und Tanz. Sie mag die Musik der amerikanischen Rockbands Kings of Leon und Foo Fighters. „Aber ich geh’ auch gern in die Oper und ins Ballett“, meint sie mit einem Schmunzeln. Tochter Karla (24) macht gerade ein Volontariat bei der Esslinger Zeitung, und Nesthäkchen Eva (21) hat einen Studienplatz in Hamburg bekommen.