Sabine Klinkner: Faszination Kleinsatelliten

Die Professorin forscht begeistert an der Uni Stuttgart für das Abenteuer Raumforschung

Kleinsatelliten sind die Shootingstars der Raumfahrt. Für Professorin Sabine Klinkner sind sie der Nukleus ihrer Forschung und Lehre. Gemeinsam mit ihrem Team treibt sie die Entwicklung der kleinen Systeme voran.
„Verrückt, dass man so etwas studieren kann. Das macht sonst die NASA.“ Das ging Sabine Klinkner durch den Kopf, als sie im Berufs- und Informationszentrum auf den Ordner „Luft- und Raumfahrt“ stieß. Mit guten Mathe- und Physiknoten im Gepäck und nach ein paar Schnupper-Vorlesungen startete sie 1996 an der Universität Stuttgart ihr Ingenieurstudium. „Bis heute begeistert mich, dass wir in der Raumfahrtforschung ans Limit gehen müssen und immer wieder vor neuen Herausforderungen stehen“, sagt sie. Denn einen Satelliten kann man nicht nach dem Baukastenprinzip fertigen. Er ist ein hochkomplexes System, das mit sehr begrenzten Ressourcen sowohl bezüglich des Materials als auch des Energieverbrauchs auskommen, aber äußerst anspruchsvolle Anforderungen erfüllen und vor allem eines sein muss: robust. Einmal auf die Umlaufbahn gebracht, kann die Bodenstation zwar Softwareupdates hochladen, zum Beispiel für das Missionsprogramm. Den Reset-Knopf kann sie nicht mehr drücken. So ist Satellitenforschung für Klinkner immer auch ein Abenteuer.

Klinkner brachte die Explorationsrobotik mit an die Uni Stuttgart

Bevor sie sich der Wissenschaft widmete, arbeitete sie nach dem Studium zunächst zwölf Jahre in einem mittelständischen Systemhaus für Raumfahrtprodukte, baute wissenschaftliche Instrumente und Roversysteme – Roboter, die zur Erkundung der Oberfläche von Planeten eingesetzt werden. Und sie stemmte ihre berufsbegleitende Promotion. 2015 kam der Ruf auf den Lehrstuhl für Satellitentechnik an der Universität Stuttgart, dem sie folgte, um mehr Gestaltungsfreiheit für ihre wissenschaftliche Arbeit zu haben. Klinkner brachte die Explorationsrobotik mit an die Universität – und sie begann, die Entwicklung von Kleinsatelliten zu forcieren, „die nicht nur überall in der Raumfahrt gebraucht werden, sondern auch das perfekte Thema für die Lehre sind“.
Sie macht sich deshalb auch stark für eine „fundierte, hoch qualifizierte und praxisorientierte Ausbildung“. Energie- und Kommunikationssysteme, Daten- und Thermalkontrolle, der Antrieb: Das sind einige der Subsysteme eines Satelliten, deren Zusammenspiel im All orchestriert werden muss. Klinkner beteiligt ihre Studierenden so früh wie möglich an der Entwicklung. „Man muss diese Prozesse selbst in allen Phasen durchlaufen, um sie zu verstehen“, sagt sie. Den „Flying Laptop“, der im Sommer 2017 an Bord einer Soyuz-2-Rakete vom Weltraumbahnhof Baikonur ins All startete, haben zum Beispiel fast ausschließlich Studierende und Promovierende entwickelt, gebaut und für den Einsatz im Orbit qualifiziert. Dass er 600 Kilometer über der Erdoberfläche noch immer seine Runden dreht, ist ein gemeinsamer Erfolg.

Kleinsatellit "Flying Laptop"

Wie rund 95 Prozent der Kleinsatelliten ist der „Flying Laptop“ in einer niedrigen Umlaufbahn, einem Low Earth Orbit (LEO), unterwegs. Mit ihrer neuen Mission „Research and Observation in Medium Earth Orbit“, kurz ROMEO, will Klinkner 2025 bis in den mittleren Orbit (MEO) vorstoßen. Er erstreckt sich bis auf eine Höhe von 36.000 Kilometern über der Erde und wird bislang relativ wenig genutzt. Ihn zu erreichen ist eine Herausforderung, einen Satelliten dort zu betreiben ebenso. Über die Umgebungsbedingungen im MEO und ihre Wirkungen auf Material und Technik ist bis jetzt wenig bekannt. Der neue 60 Kilo „leichte“ Forschungssatellit soll deswegen nicht nur Erdscheinbeobachtungen und Untersuchungen zum Weltraumwetter durchführen, sondern auch innovative Technologien zur Erprobung mit ins All nehmen.
Das Forschungsteam will wissen, wie sie sich in einem Teil des Kosmos verhalten, der extremen Strahlungen ausgesetzt ist, und wie sie für zukünftige Satellitenmissionen in einem MEO fit gemacht werden können. Neben einem grünen Wasserstoffantrieb und einem strahlungstoleranten Zentralrechner, den das Team erstmals aus Komponenten „von der Stange“ bauen will, soll ein kompaktes und leichtes Kommunikationssystem mit einem möglichst geringen Energiebedarf für die Datenübertragung im Amateur-X-Band mit an Bord gehen.
 „Wir können ohne Marktinteressen neue Dinge erforschen, die allen zugutekommen, und wir können wichtige Beiträge leisten zur Lösung drängender Probleme wie beispielsweise der Vermeidung und Beseitigung von Weltraumschrott“, sagt sie. Wie man angesichts des steigenden Verkehrsaufkommens im All für Nachhaltigkeit und Sicherheit sorgen kann, ist nur eine der spannenden Fragen, die die Raumfahrtforschung in Zukunft umtreiben dürfte.
Klinkner fasst es so zu zusammen: „Wir müssen Technologien entwickeln, mit denen wir die Orbitbereiche sauber halten können, und neue erschließen.“ Trotz aller Abenteuerlust hat die Mutter zweier Kinder noch kein Ticket ins All gebucht. „Die riesige Faszination für mich ist, zu sehen, dass die Dinge, die ich baue, fliegen. Und das ist in der Raumfahrt nicht selbstverständlich.“