Die Rettung kam gerade noch rechtzeitig

Der Hohenheimer Rieslingapfel, eine verschollen geglaubte Obstsorte, kehrt heim – Zwei nachgezogene Bäumchen wurden jetzt  in den   Hohenheimer Gärten gepflanzt – Die Äpfel eignen sich nur zur Mostherstellung.

Die Früchte des Hohenheimer Rieslingapfels  sind nur drei bis vier Zentimeter groß, sauer und eignen sich eigentlich nur  für Most. „Das Ergebnis war ein glänzendes. Der Wein erinnert an Farbe, Geschmack und Feuer an den aus den Rieslingtrauben gewonnen Traubenwein“, heißt es 1880 im „Pomologischen Monatsheft“, weshalb „Garteninspector Schüle in Hohenheim“ der Sorte ihren Namen gab.

Fotostrecke 4 Fotos

Früher stand dort das "Hohenheimer Bädle"

Alte Obstsorten sind  ein Baustein zur Bewahrung der genetischen Vielfalt. Der Hohenheimer Rieslingapfel galt als verschollen, bis Hobby-Pomologen einen alten Baum in Altbach entdeckten. Nun sind zwei junge in der Baumschule Schweizer in Sielmingen gezogene Apfelbäumchen  an die Universität Hohenheim zurückgekehrt – an seinen Ursprungsort, an dem er um 1870 gezüchtet wurde.
Ihren  Platz haben sie nun südöstlich des Schlosses – hier war früher mal das „Hohenheimer Bädle“ – , ein alter Birnbaum wacht über den zwei neuen, fragilen Obstbäumchen in bester Südhang-Weinbaulage. Schon Herzog Carl Eugen pflanzte hier sehr viele Obstbäume.

Hobby-Pmologen entdeckten alten Baum in Altbach

 „Der Hohenheimer Rieslingapfel wurde vor 150 Jahren an der damaligen Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim gezüchtet“, berichtet Dr. Robert Gliniars, Kustos der Hohenheimer Gärten. „Dass die Sorte  heute wieder zu uns ins Landesarboretum zurückkehrt, freut uns sehr. Das ist vor allem der Spürnase der Sortenfahnder zu verdanken und dem Engagement der Streuobstfachstelle.“
Eine der Spürnasen ist Rudolf Brenkel. Der Ehrenvorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Altbach wusste schon vor Jahren von einem ungewöhnlichen Altbaum auf einer Streuobstwiese bei Altbach „Der Großvater der Besitzerin war Baumwart in Hohenheim und wohl recht aktiv beim Veredeln“, berichtet Brenkel. Der Pomologe  Eckart Fritz  erkannte den Rieslingapfel. „Mir war erst gar nicht bewusst, dass dies eine kleine Sensation ist“, räumt Brenkel ein. Und hier kommt die zweite Spürnase ins Spiel: „Erst als Lucas Pacholet 2019 mit mir Kontakt aufnahm, wurde mir die Bedeutung klar.“
Der Hohenheimer Absolvent und Lehramtsstudent an der Universität Stuttgart teilt Brenkels Begeisterung. Er kümmert sich in seiner Freizeit nicht nur um seine eigene Streuobstwiese in Nellingen, sondern fahndet ebenfalls nach verschollen geglaubten Obstsorten. „Und der Hohenheimer Riesling stand ganz oben auf meiner Fahndungsliste.“ „Die alten Sorten sind meist robuster und weniger anfällig, etwa gegen Krankheiten“, erklärt  Pacholet, „und vor allem auch ein Kulturgut mit Geschichte.“

Der Hohenheimer Rieslingapfel wurde vor 150 Jahren an der damaligen Landwirtachaftlichen Akdaemie Hohenheim gezüchtet

Um diesen exzellenten „Weinapfel“ zu retten, haben die beiden versierten Hobby-Pomologen auch mit Jochen Berger von der Streuobstfachstelle der Stadt Stuttgart Kontakt aufgenommen. „Hohenheim war vor 150 Jahren einer der Ausgangspunkte für Sortenzüchtungen, von hier aus wurden sie in ganz Süddeutschland verteilt“, erklärt er. „Heutzutage wird ein Standardsortiment von vielleicht 25 Sorten in fast jeder Baumschule angeboten. Doch lokale Sorten sind oft, wenn überhaupt, nur noch als einzelne Bäume anzutreffen.“

Auftragsveredelung in Auftrag der Streuobstfachstelle der Stadt Stuttgart

Sie zu retten, unterstütze die Stadt Stuttgart. „Denn die Zeit läuft uns davon, die Altbäume sterben nach und nach ab.“ Um den Rieslingapfel für den Streuobstanbau zu erhalten, hat er Auftragsveredelungen mit den Reisern des Altbaumes veranlasst.  Insgesamt wurden nun vier Hohenheimer Rieslinge gepflanzt, die zwei am Hohenheimer Schloss, einer in Feuerbach und einer Plieningen. Vorher gab es nur noch drei bekannte Hohenheimer Rieslinge in der Region Stuttgart, einer davon wurde von einem betrunkenen Autofahrer umgefahren, bestätigt Rudolf Brenkel die Dringlichkeit der Sortenrettung.

Bewahrung der genetischen Vielfalt ist eine der Hauptaufgaben der Hohenheimer Gärten

Die Bewahrung der genetischen Vielfalt ist auch eine der Hauptaufgaben der Hohenheimer Gärten, betont Dr. Gliniars. „Die alten Sorten bergen ein genetisches Potenzial, das uns nicht verloren gehen sollte. Die Erbanlagen könnten in der Züchtung interessant werden, um neue Sorten resistenter zu machen.“
Für den Hohenheimer Rieslingapfel kam die Rettung gerade noch rechtzeitig. „Der alte Baum ist eine abgängige Ruine“, berichtet Brenkel, „obwohl er jedes Jahr noch einige Äpfel trägt.“ Doch mit den beiden Bäumen in Hohenheim und weiteren Exemplaren im Freilichtmuseum Beuren, Altbach und Wiesbaden sei die Sorte erst einmal gesichert, meinen die Fachleute. Demnächst wird es auch noch einen Baum mehr geben. „Auf meiner Streuobstwiese ist gerade ein Baum abgängig“, verrät Pacholet. „Da wird dann ein Rieslingapfel hinkommen.“
Mit etwas Glück tragen die beiden Hohenheimer Rieslingbäume in vier Jahren schon Früchte, vielleicht gibt es dann mal ein Most-Versucherle, produziert von der Lehrbrennerei der Uni Hohenheim. Ein besonderes Champagner- oder Riesling-Geschmäckle erwartet man dann aber schon!

Die Hohenheimer Gärten

Die Hohenheimer Gärten sind eine wissenschaftliche Einrichtung der Universität Hohenheim. Sie umfassen vier unterschiedlich gestaltete Gartenteile. Großflächig bieten sie abwechslungsreiche und eindrucksvolle Gartenlandschaften. Der Erhalt von pflanzlicher Biodiversität ist zentrale Aufgabe der Gärten. Insgesamt werden in den Hohenheimer Gärten rund 6000 Pflanzenarten kultiviert. Das Landesarboretum Baden-Württemberg, also der Exotische Garten und der Landschaftsgarten, beherbergt etwa 2500 Gehölzarten. Im Hohenheimer Schlosspark sind rund 360 Gehölzarten gepflanzt. Zusätzlich sind über 2000 wild vorkommende Tier- und Pflanzenarten erfasst und brachten der Universität Hohenheim im Juli 2023 den Titel „artenreichster Campus Europas“ ein. 30 Gärtnerinnen und Gärtner pflegen die Hohenheimer Gärten unter der Aufsicht ihres Leiters Helmut Dalitz. Online unter
https://gaerten.uni-hohenheim.de/